Fast 80 Jahre nach der Erstveröffentlichung erscheint „Der Reisende“ des deutsch-jüdischen Autors Boschwitz auf Deutsch, bearbeitet auf Grundlage eines alten Typoskripts.

Der 1915 geborene Kaufmannssohn aus Berlin hatte den Roman in Großbritannien und kurz darauf in den USA 1939 unter dem Eindruck der Novemberpogrome veröffentlicht. Boschwitz selbst war 1942, im Alter von gerade einmal 27 Jahren, auf einem Transportschiff von Australien nach England unterwegs und kam um aufgrund der Torpedierung durch ein deutsches U-Boot.

Sein Roman war bis heute nie in deutscher Sprache publiziert.

Seine Hauptfigur ist Otto Silbermann, ein wohlhabender jüdischer Kaufmann. Ein Mann, der im Ersten Weltkrieg auf der Seite des Kaiserreichs gekämpft hat; ein deutscher Großbürger, für den die eigenen jüdischen Wurzeln nie von Belang waren. Doch mit der Machtübernahme der Nazis zerfällt auch Silbermanns säkulare Welt plötzlich in Juden und Nicht-Juden, in Menschen, die dazugehören und Aussätzige. Silbermann sieht sich verdächtigen Blicken, abschätzigem Getuschel und unverschämter Hetze ausgesetzt.

Als schließlich die aufgehetzte Meute an Silbermanns Tür klingelt, beginnt für ihn eine demütigende Flucht durch Deutschland, seine Heimat, die ihm über Nacht fremd geworden ist. Von Berlin aus geht es nach Hamburg, dann wieder zurück nach Berlin, es folgen Dortmund, Aachen und wieder Dortmund. In Belgien wird Silbermann beim Versuch, die Grenze zu passieren, von Polizisten aufgegriffen und zurückgeschickt. Dresden und Berlin sind schließlich die letzten Haltestellen dieses Stationen-Dramas. Silbermann, der »Reisende«, ist immer in Bewegung, gehetzt und rastlos. Am Ende ist das Reisen, dieses ausweglose Hin und Her, nur noch Ausdruck seiner zunehmenden Verzweiflung.

Erst verliert er seine Wohnung, dann seine Frau, sein Geschäft, sein Vermögen, seine Würde und zuletzt seinen Verstand.

Ulrich Alexander Boschwitz, Der Reisende
Verlag Klett-Cotta                                                                    20,00 €